„Selbst wenn der Einband fehlte, das Buch könnte man trotzdem lesen.“
Dieser Satz, von dem sich manch ein Buchbinder vielleicht auf den Schlips getreten fühlt, spiegelt das Verständnis eines Künstlers wieder, der dem Buch dienen will und seine Arbeit auf eine Weise versteht, die in den Anfängen wohl etwas Überwindung kostet. Den Mut zum Einfachen aufzubringen ist für seine Arbeit maßgebend – einer, der etwas von seinem Handwerk versteht; einer, der vielleicht alles kann, aber nicht alles will:
Franz Zeier, bereits 2011 im Alter von 88 Jahren verstorbener Handbuchbinder, Papier-Designer und Fachbuchautor aus Zürich, war wohl einer der großen Buchkünstler unserer Zeit. Aus zahlreichen Aufsätzen und anderen Veröffentlichungen wird deutlich, dass seiner Arbeit vor allem eins zu Grunde liegt: Eine tiefe Liebe zum Buch. Er spricht von der „Richtigkeit“ und auch „Menschlichkeit der herkömmlichen Buchform“ als solche, die durch nichts übertroffen oder abgelöst werden könnte. Dennoch sieht er sich als modernen Buchkünstler, der jedoch nichts umkrempeln und neu erfinden will, sondern mit den herkömmlichen Elementen des Buches spielt und sie weiterentwickelt.
„So genau, so angenehm, so richtig soll ich meinen Einband machen, dass er durch gar nichts Besonderes auffällt.“
Franz Zeier will nicht beeindrucken, er will nicht versinnbildlichen, was der Inhalt des Buches wiedergibt – als seine Aufgabe versteht er, unterstützend zu wirken, nicht abzulenken und vor allem eine Stimmigkeit zu erzeugen, die den Inhalt in keinem Falle verfälscht.
Diese Auffassung buchbinderischer Tätigkeit mag manch einen vermuten lassen, die einfachste zu sein, mit welcher man sich die große Mühe gestalterischer Arbeit erspart und eben „einfach“ bleibt. Doch gerade in dieser Einfachheit liegt für Zeier die große Herausforderung. Seine Arbeiten sind mit einer solchen Präzision und Absicht ausgeführt, die eines vergessen lassen:
Je weniger unser Auge beeindruckt und gefordert wird, desto mehr Arbeitsaufwand steckt dahinter.
Beispielhaft hierfür sind wohl Zeiers zahlreiche Papierbändchen, bei welchen er sich vor allem auf die Auswahl des Papiers und den typografischen Teil seiner Arbeit konzentrierte. Er selbst erprobte sich in eigens angefertigten Papieren – vor allem Kleisterpapieren – und begann, mit einer Vernarrtheit die Perfektion des Rückenschildes zu ergründen. Er sah in der Herstellung eines Rückenschildes „das Auswägen aller am Einband beteiligten Elemente hinsichtlich ihrer Farbigkeit und der Helldunkelwerte“. Seine Arbeit umfasste schon immer viel Ausprobieren und Überlegen. Er fertigte Skizzen, machte Muster und es kam nicht selten vor, dass für die Auswahl des geeigneten Titelschildes für einen Bucheinband fünf verschiedene gestaltet wurden, um die optimale Wirkung zu erzielen. Zeier war der Auffassung: Je einfacher der Bucheinband, desto mehr bestimmt das Titelschild das „Gesicht des Buches“.
Bemerkbar macht sich dies unter anderem in seiner Veröffentlichung „Buch und Bucheinband“ von 1995, einer Sammlung von Aufsätzen mit vielen Abbildungen, in welcher er ganze vier Seiten allein der Ausgestaltung des Rückentitels widmet.
Den Höhepunkt der Einfachheit, wenn man es so nennen will, erreichte Zeier 1984, als er sich künftig auch von gemusterten Papieren fernhielt. Er betonte aber „keinesfalls auf Farbigkeit und Dichte“ verzichten zu wollen. Seine Einbände leben fortan von der Perfektion der Abstimmung von Farbe und Proportion, da er nichts zusätzlich entwickelt, sondern bei den Elementen des Buches als solches bleibt, diese jedoch bis ins Detail zu Ende denkt.
„Das Arbeiten ist nicht nur ein Vorgang, es muss ein Erleben sein.“
Franz Zeier führte sich immer wieder vor Augen, was das Buch für ihn und die Menschen bedeutet. Er arbeitete für Menschen, die den Inhalt der Texte zu schätzen wissen, und nicht vom Prunk eines schmuckvollen Einbandes gefesselt werden. In seinen Aufsätzen ist immer wieder die Rede von einer Heiterkeit, die er jedem Einband mitgeben will. Eine seiner veröffentlichten Aufsatzsammlungen trägt den Titel „Richtigkeit und Heiterkeit“, was den Kern seiner Arbeit sehr gut zusammenfasst:
Er arbeitete stets auf eine Richtigkeit hin, die dem Leser nichts von der Heiterkeit nimmt, die ein Buch seiner Meinung nach in sich trägt.
Franz Zeiers Einbände sind bis heute hochgeschätzt, sein Ansatz und seine Exaktheit werden vor allem von Buchliebhabern sehr bewundert. Seine Fachbücher sind aus den Bibliotheken der Berufsschulen nicht mehr wegzudenken – alles in allem war und ist Franz Zeier ein bedeutender Mann für die Buchbinderei, dessen Arbeit aus heutiger Sicht als innovativ und wegweisend gilt.
Quellen:
Buch und Bucheinband, 1995, VGS Verlagsgemeinschaft St. Gallen
Richtigkeit und Heiterkeit, 1993, VGS Verlagsgemeinschaft St. Gallen