Wallpaper Owen Jones, 1856
Der Jugendstil hat vor gut hundert Jahren seinen Höhepunkt erreicht und die Faszination dieser Stilrichtung ist bis heute ungebrochen. Denn der endgültige Aufbruch in die Moderne, der um 1900 durch Künstler in aller Welt eingeleitet wurde, hat eine zeitlos schöne Formensprache hervorgebracht, die Architektur und Malerei stark beeinflusst hat.
Aber auch die Gebrauchskunst, das Design und die Buchbinderei haben vom Jugendstil sehr profitiert. Heute sind Bücher aus der Epoche des Jugendstils ehrwürdige Zeitzeugen, die es verdienen, mit Sorgfalt und Respekt liebevoll restauriert zu werden. Aber auch Neuschöpfungen in Anlehnung an den wunderschönen Stil sind möglich, denn was so zeitlos ist, verliert niemals seinen Reiz.
Bucheinband Max Koch
Was wollte der Jugendstil ausdrücken?
Die Jugendstilbewegung brachte in ganz Europa, Russland und Amerika eigene Strömungen hervor, die wahrlich nicht als homogen bezeichnet werden können. Die künstlerische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Zeit führte oft auch zu Auseinandersetzungen unter Künstlern – was zu einem lebhaften und kreativen Spannungsfeld führte. Alle Künstler der Epoche waren sich aber einig darin, dass sie die gestalterischen Grenzen des Historismus überwinden wollten. Denn bis zur Entstehung des Jugendstils galt das Kopieren bekannter Formen aus historischen Epochen als das Nonplusultra in der Kunst.
Bucheinband Paul Singer & Co.,
Berlin
Die jungen Künstler des Jugendstils wollten aber mehr. Als Kinder ihrer Zeit hatten sie die Explosion der Industrialisierung erlebt und empfanden Produkte, die preiswert und in großer Stückzahl hergestellt wurden, als seelenlos. Dieser Seelenlosigkeit durch die industrielle Fertigung wollten sie entgegenwirken, indem sie Schönheit und Natürlichkeit zurück ins Leben holten. Florale Ornamente und harmonische Farben waren für viele Künstler, Designer und Architekten das Mittel der Wahl, um die Kunst und die Lebensräume der Menschen in den Städten wieder schön und lebendig zu gestalten. Auch die Gebrauchskunst trat damals einen Siegeszug an und heute sind Möbel, Lampen, Besteck, Schmuck und natürlich Bücher aus der Epoche wertvolle und begehrte Sammlerstücke.
Parallelen in der Kunst des Jugendstils zur heutigen Zeit
Was für die Künstler und Designer um 1900 die Industrialisierung war, ist heute die Digitalisierung. Unser Lebensumfeld bestimmt immer auch über unseren Geschmack und über die Entwicklung der Kunst. Künstler und Kreative drücken ihre Ideen immer mit den Mitteln aus, die ihnen zur Verfügung stehen. Heute können das Computerprogramme sein. Niemand wird zum Beispiel bestreiten, dass eine Buchverfilmung wie »Der Herr der Ringe« sehr kunstvolle Elemente in der Bildsprache enthält – und das, obwohl die literarische Vorlage lange Zeit als unverfilmbar galt. Der technische Fortschritt hat es einfach möglich gemacht und digitale Kunst drängt immer mehr in den Alltag.
Wallpaper William Morris,
Pimpernel
Wir sind längst daran gewöhnt, rein virtuelle Inhalte auf einem Bildschirm als »echt« wahrzunehmen. Und trotzdem stehen wir vor denselben Fragen wie die Kinder der Industrialisierung. Wo bleiben die Seele und das Gefühl? Auch Bücher sind heute längst digital erhältlich und transportieren natürlich denselben Inhalt wie ihre gebundenen Verwandten – doch die Seele eines eBooks wird jeder Bibliophile vergeblich suchen. Die Buchbinderkunst hat also einen höheren Stellenwert denn je. Denn je digitalisierter das alltägliche Leben ist, umso kostbarer sind echte Bücher mit einer lebendigen Aura.
Buchbinderei als Brücke zwischen den Epochen
Das moderne Buchbinderhandwerk profitiert natürlich ebenso von der Digitalisierung wie viele andere Lebensbereiche auch. Buchbinderei ist heute ein Handwerk, das günstige Massenproduktion genauso erlaubt wie die Kreation kostbarer Einzelstücke. Und gerade diese Einzelstücke sind es, die Sammlerherzen höher schlagen lassen. Bücher, die aus der Epoche des Jugendstils erhalten blieben, haben schon viel erlebt. Sie haben immerhin zwei Weltkriege überstanden, haben oft viele Jahre auf Dachböden verbracht oder sind tatsächlich so oft gelesen worden, dass sie auch bei noch so pfleglicher Behandlung rissig, brüchig und anfällig werden.
Eine neue Bindung in den Händen eines erfahrenen, einfühlsamen Buchbinders schenkt diesen kostbaren alten Büchern ein neues Leben, ohne ihren einzigartigen Stil zu verändern. Denn die zeitlos schönen Ornamente, die so typisch sind für die Epoche kurz nach 1900, stilvolles Blattgold, Einbände in farbigem Leder und viele weitere liebevolle Details lassen alte Bücher in neuem Glanz erstrahlen und behalten zugleich den nostalgischen Charme einer »Erstausgabe«, deren Inhalt aber hundert Jahre alt ist.
Anzeige Leipziger Buchbinder
Aktiengesellschaft
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